Hannes Meyer

 
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Sohn des Emil Meyer (Architekt, Baumeister) und der Katharina Margaretha, geborene Ryser. Erste Heirat 1917 mit Louise Bianca Natalie Herkert. Zweite Heirat 1937 mit Helene Bergner. Ein Sohn mit Margarete Mengel, seiner Lebensgefährtin von 1927 bis 1936.
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Hans Emil, genannt Hannes Meyer wuchs in Basel auf. Von 1905 bis 1909 absolvierte er eine Maurerlehre, anschliessend bildete er sich zum Bauzeichner und Bauführer weiter. Parallel dazu besuchte er Kurse an der Basler Gewerbeschule. 1909 ging er nach Berlin, wo er in verschiedenen Architekturbüros arbeitete und Abendkurse an der Kunstgewerbeschule, später an der Landwirtschaftsakademie und der Technischen Hochschule über Ökonomie, Bodenreform und Städtebau belegte. Meyer setzte sich schon früh mit Ideen genossenschaftlicher Organisation und Bodenreformen auseinander und strebte danach, die Architektur in den Dienst der Verbesserung der Wohnverhältnisse breiter Bevölkerungsgruppen zu stellen. Zwischen 1909 und 1914 wurde er Mitglied der Schweizer Genossenschaftsbewegung, der Deutschen Bodenreform- und der Schweizer Freiland-Bewegung.
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Während des Ersten Weltkriegs musste Meyer von 1914 bis 1916 Aktivdienst an der jurassischen Grenze leisten. Von 1916 bis 1919 arbeitete er in München. Wieder zurück in Basel, gründete er ein eigenes Architekturbüro. In dieser Zeit entstand die Freidorfsiedlung in Muttenz. Meyer entwickelte das Projekt im Auftrag des Verbandes Schweizerischer Konsumvereine; sie gilt als bedeutendster Siedlungsbau der Zwischenkriegszeit. Die Siedlung besteht aus 150 Einfamilienhäusern mit je eigenen Vor- und Pflanzgärten und einem Genossenschaftshaus, in dem die Schule, ein Laden, ein Restaurant, Versammlungssäle und ein Turnsaal untergebracht waren. Das Freidorf stellte eine gebaute Utopie dar, in der sich die Idee der genossenschaftlichen Selbst- und Gemeinschaftshilfe entfalten und wo der Mensch wieder mit der Natur in Berührung kommen sollte. Meyer setzte sich weiterhin für die Propagierung der genossenschaftlichen Ideen ein und erarbeitete einen Entwicklungsplan für die Gemeinde Balsthal mit acht Musterwohnhäusern für die Arbeiter der Papierfabrik. In Basel schloss er sich mit dem Architekten Hans Wittwer zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen.
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1927 wurde er als Meisterarchitekt an das Bauhaus nach Dessau berufen und ein Jahr später trat er die Nachfolge des Direktors Walter Gropius an. Er setzte sich für eine wissenschaftlich begründete Baulehre ein, in deren Zentrum die Idee des Bauens für das Volk stand – weg vom Luxusbedarf. Er liess die Werkstätten nach einem kooperativen Modell ausbauen und veranlasste die Erforschung des Lebensraums typischer Arbeiter- und Angestelltenfamilien, auf deren Grundlage Entwürfe für Wohnungs-Standardtypen entstanden. Im Sommer 1930 wurde Meyer aus politischen Gründen fristlos entlassen.
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Er reiste 1930 nach Moskau, wo er als Berater für Städtebau fungierte und als Professor an der Hochschule für Architektur zuerst im Sektor Wohn- und soziale Bauten, später im Bereich landwirtschaftliche Bauten und Industriebau arbeitete. Im Zuge der stalinistischen Säuberungen, der auch Meyers damalige Lebensgefährtin zum Opfer fiel, kehrte er 1936 in die Schweiz zurück.
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1938 folgte er dem Ruf der mexikanischen Regierung als Direktor des neu gegründeten Instituts für Stadtbau und Planung des Nationalen Polytechnischen Instituts in Mexico-City. Er blieb auch nach der Schliessung des Instituts 1941 in Mexiko und betrieb ein eigenes Büro.
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Aufgrund politischer Differenzen kehrte er 1949 in die Schweiz zurück, wo er sich bis zu seinem Tod 1954 der Herausgabe architekturwissenschaftlicher Literatur widmete.
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AutorIn: Isabel Koellreuter
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==Literatur (Auswahl)==
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Hannes Meyer, 1889–1954: Architekt, Urbanist, Lehrer. Ausstellungskatalog Bauhaus-Archiv, Berlin, und Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt am Main, in Zusammenarbeit mit dem Institut für Geschichte und Theorie der Architektur an der ETH Zürich und dem Museum für Gestaltung, Zürich. Berlin 1989.
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Hannes Meyer, Kurzbiografie. In: Bauhaus Kooperation Berlin Dessau Weimar. URL: bauhaus-online.de/atlas/personen/hannes-meyer, Zugriff: 05.11.2014.
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Böcker, Dagmar: Meyer, Hannes. In: Historisches Lexikon der Schweiz. URL: www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D27387.php, Zugriff: 06.11.2014.
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Funke, Hermann: Wer hat Angst vor Hannes Meyer? Ein verfluchter Architekt. In: Die Zeit, 24.02.1967. URL: www.zeit.de/1967/08/wer-hat-angst-vor-hannes-meyer/komplettansicht, Zugriff: 05.11.2014.
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Hofmann, Markus: Noch ertönt das Glockenspiel des Friedens. Das soziale Experiment des Freidorfs in Muttenz hat der Gegenwart nicht getrotzt. In: Neue Zürcher Zeitung, 30.10.2010.
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Merten, Britta: Der Architekt Hannes Meyer und sein Beitrag zum Bauhaus. Ein Vergleich mit Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe. Saarbrücken 2008.
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Ryser, Werner: Das Freidorf in Muttenz: Eine soziale Utopie wird Wirklichkeit. In: Akzent Magazin, 8. Jg., Nr. 2 (2012), S. 32–35.
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Schnaidt, Claude: Hannes Meyer – Bauten, Projekte und Schriften. Stuttgart 1965.  
  
 
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Aktuelle Version vom 17. Dezember 2014, 15:44 Uhr

* 18.11.1889 in Basel – † 19.07.1954 in Crocifisso (Gemeinde Savosa, TI)
Beruf: Architekt, Dozent und Schuldirektor
Voller Name: Hannes Emil Meyer
Konfession: reformiert


MeyerH 1889.jpeg
Hannes Emil Meyer


Sohn des Emil Meyer (Architekt, Baumeister) und der Katharina Margaretha, geborene Ryser. Erste Heirat 1917 mit Louise Bianca Natalie Herkert. Zweite Heirat 1937 mit Helene Bergner. Ein Sohn mit Margarete Mengel, seiner Lebensgefährtin von 1927 bis 1936.

Hans Emil, genannt Hannes Meyer wuchs in Basel auf. Von 1905 bis 1909 absolvierte er eine Maurerlehre, anschliessend bildete er sich zum Bauzeichner und Bauführer weiter. Parallel dazu besuchte er Kurse an der Basler Gewerbeschule. 1909 ging er nach Berlin, wo er in verschiedenen Architekturbüros arbeitete und Abendkurse an der Kunstgewerbeschule, später an der Landwirtschaftsakademie und der Technischen Hochschule über Ökonomie, Bodenreform und Städtebau belegte. Meyer setzte sich schon früh mit Ideen genossenschaftlicher Organisation und Bodenreformen auseinander und strebte danach, die Architektur in den Dienst der Verbesserung der Wohnverhältnisse breiter Bevölkerungsgruppen zu stellen. Zwischen 1909 und 1914 wurde er Mitglied der Schweizer Genossenschaftsbewegung, der Deutschen Bodenreform- und der Schweizer Freiland-Bewegung. Während des Ersten Weltkriegs musste Meyer von 1914 bis 1916 Aktivdienst an der jurassischen Grenze leisten. Von 1916 bis 1919 arbeitete er in München. Wieder zurück in Basel, gründete er ein eigenes Architekturbüro. In dieser Zeit entstand die Freidorfsiedlung in Muttenz. Meyer entwickelte das Projekt im Auftrag des Verbandes Schweizerischer Konsumvereine; sie gilt als bedeutendster Siedlungsbau der Zwischenkriegszeit. Die Siedlung besteht aus 150 Einfamilienhäusern mit je eigenen Vor- und Pflanzgärten und einem Genossenschaftshaus, in dem die Schule, ein Laden, ein Restaurant, Versammlungssäle und ein Turnsaal untergebracht waren. Das Freidorf stellte eine gebaute Utopie dar, in der sich die Idee der genossenschaftlichen Selbst- und Gemeinschaftshilfe entfalten und wo der Mensch wieder mit der Natur in Berührung kommen sollte. Meyer setzte sich weiterhin für die Propagierung der genossenschaftlichen Ideen ein und erarbeitete einen Entwicklungsplan für die Gemeinde Balsthal mit acht Musterwohnhäusern für die Arbeiter der Papierfabrik. In Basel schloss er sich mit dem Architekten Hans Wittwer zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen. 1927 wurde er als Meisterarchitekt an das Bauhaus nach Dessau berufen und ein Jahr später trat er die Nachfolge des Direktors Walter Gropius an. Er setzte sich für eine wissenschaftlich begründete Baulehre ein, in deren Zentrum die Idee des Bauens für das Volk stand – weg vom Luxusbedarf. Er liess die Werkstätten nach einem kooperativen Modell ausbauen und veranlasste die Erforschung des Lebensraums typischer Arbeiter- und Angestelltenfamilien, auf deren Grundlage Entwürfe für Wohnungs-Standardtypen entstanden. Im Sommer 1930 wurde Meyer aus politischen Gründen fristlos entlassen. Er reiste 1930 nach Moskau, wo er als Berater für Städtebau fungierte und als Professor an der Hochschule für Architektur zuerst im Sektor Wohn- und soziale Bauten, später im Bereich landwirtschaftliche Bauten und Industriebau arbeitete. Im Zuge der stalinistischen Säuberungen, der auch Meyers damalige Lebensgefährtin zum Opfer fiel, kehrte er 1936 in die Schweiz zurück. 1938 folgte er dem Ruf der mexikanischen Regierung als Direktor des neu gegründeten Instituts für Stadtbau und Planung des Nationalen Polytechnischen Instituts in Mexico-City. Er blieb auch nach der Schliessung des Instituts 1941 in Mexiko und betrieb ein eigenes Büro. Aufgrund politischer Differenzen kehrte er 1949 in die Schweiz zurück, wo er sich bis zu seinem Tod 1954 der Herausgabe architekturwissenschaftlicher Literatur widmete.

AutorIn: Isabel Koellreuter

Literatur (Auswahl)

Hannes Meyer, 1889–1954: Architekt, Urbanist, Lehrer. Ausstellungskatalog Bauhaus-Archiv, Berlin, und Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt am Main, in Zusammenarbeit mit dem Institut für Geschichte und Theorie der Architektur an der ETH Zürich und dem Museum für Gestaltung, Zürich. Berlin 1989.

Hannes Meyer, Kurzbiografie. In: Bauhaus Kooperation Berlin Dessau Weimar. URL: bauhaus-online.de/atlas/personen/hannes-meyer, Zugriff: 05.11.2014.

Böcker, Dagmar: Meyer, Hannes. In: Historisches Lexikon der Schweiz. URL: www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D27387.php, Zugriff: 06.11.2014.

Funke, Hermann: Wer hat Angst vor Hannes Meyer? Ein verfluchter Architekt. In: Die Zeit, 24.02.1967. URL: www.zeit.de/1967/08/wer-hat-angst-vor-hannes-meyer/komplettansicht, Zugriff: 05.11.2014.

Hofmann, Markus: Noch ertönt das Glockenspiel des Friedens. Das soziale Experiment des Freidorfs in Muttenz hat der Gegenwart nicht getrotzt. In: Neue Zürcher Zeitung, 30.10.2010.

Merten, Britta: Der Architekt Hannes Meyer und sein Beitrag zum Bauhaus. Ein Vergleich mit Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe. Saarbrücken 2008.

Ryser, Werner: Das Freidorf in Muttenz: Eine soziale Utopie wird Wirklichkeit. In: Akzent Magazin, 8. Jg., Nr. 2 (2012), S. 32–35.

Schnaidt, Claude: Hannes Meyer – Bauten, Projekte und Schriften. Stuttgart 1965.

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