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Neben seiner beruflichen Laufbahn engagierte sich Lieb auch politisch. Von 1938 bis 1953 sass er für die SP im Basler Grossen Rat. Zusammen mit Eduard Behrens gründete er 1938 die antifaschistische Zeitung «Schweizer Zeitung am Sonntag», die bereits ein Jahr später vom Bundesrat verboten wurde, weil sie eine Belastung für die schweizerische Aussenpolitik sei. Ab Mitte der 1940er-Jahre war Lieb zudem Ersatzrichter am Basler Appellationsgericht und Mitglied der Kommission des Humanistischen Gymnasiums sowie der Kuratel der Universität Basel. | Neben seiner beruflichen Laufbahn engagierte sich Lieb auch politisch. Von 1938 bis 1953 sass er für die SP im Basler Grossen Rat. Zusammen mit Eduard Behrens gründete er 1938 die antifaschistische Zeitung «Schweizer Zeitung am Sonntag», die bereits ein Jahr später vom Bundesrat verboten wurde, weil sie eine Belastung für die schweizerische Aussenpolitik sei. Ab Mitte der 1940er-Jahre war Lieb zudem Ersatzrichter am Basler Appellationsgericht und Mitglied der Kommission des Humanistischen Gymnasiums sowie der Kuratel der Universität Basel. | ||
Von 1945 bis 1950 wurde er zum Vorsitzenden der neu gegründeten Gesellschaft Schweiz-Sowjetunion gewählt und war Präsident der Bewegung gegen atomare Aufrüstung. Sein Aufenthalt in Berlin 1947/48 änderte Liebs Einstellung zum Kommunismus: 1950 distanzierte er sich in einer Grossratssitzung explizit und öffentlich von diesem. | Von 1945 bis 1950 wurde er zum Vorsitzenden der neu gegründeten Gesellschaft Schweiz-Sowjetunion gewählt und war Präsident der Bewegung gegen atomare Aufrüstung. Sein Aufenthalt in Berlin 1947/48 änderte Liebs Einstellung zum Kommunismus: 1950 distanzierte er sich in einer Grossratssitzung explizit und öffentlich von diesem. | ||
− | Lieb war seit den 1920er-Jahren eifriger Sammler von Kunst, Büchern und Gesteinen; 1951 schenkte er seine umfassende russisch-slawische Bibliothek (ungefähr 13'000 Monografien, Periodika und Handschriften) der Universitätsbibliothek Basel. | + | Lieb war seit den 1920er-Jahren eifriger Sammler von Kunst, Büchern und Gesteinen; 1951 schenkte er seine umfassende russisch-slawische Bibliothek (ungefähr 13'000 Monografien, Periodika und Handschriften) der Universitätsbibliothek Basel. |
+ | Autorin: Manuela Nipp | ||
==Werke== | ==Werke== |
* 10.06.1892 in Rothenfluh
– † 06.11.1970 in Basel
Beruf: Assyriologe, Theologe, Slawist, Professor für Dogmatik und Theologiegeschichte
Amt: Grossrat SP
Heimatort: Basel
Konfession: reformiert
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Sohn des Hans Rudolf Lieb (Pfarrer) und der Louise, geborene Fischli. Heirat 1923 mit Ruth Staehelin. Ein Sohn, zwei Töchter.
Fritz Lieb wurde in Rothenfluh als zweites von drei Kindern geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters zog die Familie nach Basel. Als auch die Mutter wenige Jahre später starb, kam er in die Obhut von Verwandten. Lieb besuchte das Humanistische Gymnasium in Basel. Ab 1912 studierte er Assyriologie in Basel und Berlin. Unter dem Einfluss von Leonhard Ragaz und Hermann Kutter, den Führern der religiös-sozialen Bewegung, wechselte er zum Theologiestudium, das er 1918 in Basel abschloss. Während des Ersten Weltkriegs war Lieb in der religiös-sozialen Bewegung von Leonhard Ragaz aktiv und schloss sich der sozialistischen Studentengruppe und der Arbeiterjugend an. 1915 wurde er Mitglied der SP. Er setzte sich für den Beitritt zur Dritten Internationalen ein und begann sich intensiv mit dem Marxismus zu beschäftigen. 1917 beteiligte er sich an öffentlichen Protesten gegen Krieg und Waffenhandel, was ihn für kurze Zeit ins Gefängnis brachte. 1918 engagierte sich Lieb auch aktiv im Landesstreik. Nach seiner Ordination zum Pfarrer absolvierte er 1921 sein Vikariat in Safenwil bei Karl Barth. Im Jahr 1923 promovierte Lieb an der Universität Basel über «Baader und Kant». Die Habilitation folgte 1924 ebenfalls in Basel über «Franz von Baaders Frühentwicklung». Anschliessend war Lieb von 1925 bis 1930 Privatdozent an der Universität Basel. 1930 erhielt Lieb die Ehrendoktorwürde von der Universität Basel. Im selben Jahr ereilte ihn den Ruf auf eine ausserordentliche Professur für östliches Christentum in Bonn. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde er jedoch wieder abgesetzt, da er sich im Widerstand engagiert hatte. Nach seiner Entlassung ging er nach Clamart bei Paris und arbeitete zwischen 1934 und 1937 unter anderem als Gründer der Freien deutschen Akademie und in der Volksfrontbewegung. Zudem war er von 1929 bis 1936 zusammen mit Nikolaj Berdjajew Herausgeber der Zeitschrift «Orient und Occident». Lieb kehrte 1937 nach Basel zurück und hatte bis 1958 eine ausserordentliche und bis 1962 eine ordentliche Professur für Dogmatik und Theologiegeschichte inne. Von 1947 bis 1948 war er zudem Gastprofessor für osteuropäische Kirche an der Humboldt-Universität in Berlin. Neben seiner beruflichen Laufbahn engagierte sich Lieb auch politisch. Von 1938 bis 1953 sass er für die SP im Basler Grossen Rat. Zusammen mit Eduard Behrens gründete er 1938 die antifaschistische Zeitung «Schweizer Zeitung am Sonntag», die bereits ein Jahr später vom Bundesrat verboten wurde, weil sie eine Belastung für die schweizerische Aussenpolitik sei. Ab Mitte der 1940er-Jahre war Lieb zudem Ersatzrichter am Basler Appellationsgericht und Mitglied der Kommission des Humanistischen Gymnasiums sowie der Kuratel der Universität Basel. Von 1945 bis 1950 wurde er zum Vorsitzenden der neu gegründeten Gesellschaft Schweiz-Sowjetunion gewählt und war Präsident der Bewegung gegen atomare Aufrüstung. Sein Aufenthalt in Berlin 1947/48 änderte Liebs Einstellung zum Kommunismus: 1950 distanzierte er sich in einer Grossratssitzung explizit und öffentlich von diesem. Lieb war seit den 1920er-Jahren eifriger Sammler von Kunst, Büchern und Gesteinen; 1951 schenkte er seine umfassende russisch-slawische Bibliothek (ungefähr 13'000 Monografien, Periodika und Handschriften) der Universitätsbibliothek Basel.
Autorin: Manuela Nipp
Franz Baaders Jugendgeschichte. Die Frühentwicklung eines Romantikers. Habilitations-Schrift an der Universität Basel, München 1926.
Das westeuropäische Geistesleben im Urteile russischer Religionsphilosophie. Tübingen 1929.
Ukraine. Tübingen 1931.
Das geistige Gesicht des Bolschewismus. Bern/Leipzig 1935.
Christ und Antichrist im Dritten Reich. Der Kampf der Deutschen Bekenntniskirche. Paris 1936.
Russland unterwegs. Der russische Mensch zwischen Christentum und Kommunismus. Bern 1945.
Die Selbsterfassung des russischen Menschen im Werke Dostojewskijs und Solowjew. Berlin 1947.
Christentum und Marxismus. Die Kirche im Übergang von kapitalistischer zu proletarischer Diktatur. Berlin 1949.
Wir Christen und der Kommunismus. München 1952.
Abdankungsfeier Reden: Fritz Lieb 10. Juni 1892 – 6. November 1970. Ruth Lieb-Staehelin 9. Juni 1900 – 4. November 1986. Basel 1987.
Brändle, Rudolf: Orientalist – Theologe – Politiker – Geologe – Sammler: Fritz Lieb (1892–1970). Zu seinem hundertsten Geburtstag am 10. Juni 1992. In: Uni Nova, Nr. 66, Basel 1992.
Buess, Eduard: Lieb, Fritz. In: Neue Deutsche Biographie. URL: www.deutsche-biographie.de/pnd118971662.html, Zugriff: 29.04.2014.
Gasche, Ernst: Fritz Lieb. 1892–1970. Separatdruck aus den Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft. Basel 1971.
Kanyar Becker, Helena: Lieb, Fritz. In: Historisches Lexikon der Schweiz. URL: www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D10735.php, Zugriff 29.04.2014.
Universitätsbibliothek Basel, Nachlass Fritz Lieb.
Schweizerisches Wirtschaftsarchiv, Basel, Biogr. Lieb, Fritz.
Bild: Basel UB, Kartensammlung. Portr. BS Lieb F1819, 1.