* 31.12.1858 in Mannheim
– † 24.03.1954 in Lazzago bei Como
Spitznamen: Giorgio
Beruf: Chemiker, Unternehmer, Gründer Aluminium Press- und Walzwerk Münchenstein AG
Voller Name: Georg Otto Giulini
Geburtsname: Giulini di Giulini
Konfession: römisch-katholisch
Sohn des Lorenz Cäsar Anton Giulini di Giulini (Fabrikant) und der Eleonora, geborene Hübsch. Heirat 1883 mit Emma Diffené. Zwei Söhne, zwei Töchter.
Giorgio Giulini, der mit vollständigem Namen Graf Giorgio Giulini di Giulini hiess, stammte aus einem lombardischen Adelsgeschlecht und nannte sich zeitlebens Georg Otto Giulini. Er begann 1877 ein Chemiestudium an der Technischen Hochschule in Karlsruhe, unter anderem bei Robert Wilhelm Bunsen, der seine weitere Laufbahn massgebend beeinflusste. 1881 promovierte er in Chemie, Physik und Mineralogie. Von besonderer Bedeutung waren Giulinis Forschungen auf dem Gebiet der Löslichkeit von Tonerde in geschmolzenem Kryolith. Ab 1881 arbeitete Giulini in der 1823 von seinem Grossvater Carl gegründeten Firma Gebrüder Giulini GmbH in Ludwigshafen. Der Familienbetrieb stellte in seiner Gründerzeit auf der Basis von sizilianischem Schwefel Schwefelsäure her. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Produktion auf die Herstellung von Superphosphat, Phosphorsäure und Produkte auf der Basis von Aluminiumhydroxid ausgeweitet. Giulini verbesserte insbesondere das Pyrogen-Verfahren für die Herstellung von Aluminiumoxid. 1893 zog die Firma mit den Produktionsstätten nach Ludwigshafen-Mundenheim und entwickelte sich zu einer Tonerdefabrik. Zunächst leitete Giulini die Firma gemeinsam mit seinen Brüdern Paul und Wilhelm. Nach deren frühem Tod übernahm er 1903 die alleinige Leitung. Die Giulini GmbH stellte damals als weltweit einzige kalzinierte Tonerde her, das Vorprodukt von Aluminium, und hatte somit eine Monopolstellung inne. Dies brachte Giulini den Beinamen ‹Le Roi d’Alumine› ein. 1908 expandierte Giulini in die Schweiz nach Martigny, wo er die Aluminium-Fabrik Martigny AG aufbaute. Um den Rohstoffzugang zu garantieren, sicherte er sich schon vor dem Ersten Weltkrieg Abbaurechte in Frankreich. Zudem errichtete er weitere Tonerdewerke in Frankreich und Österreich, beteiligte sich an Elektrolysen in Frankreich und Norwegen und baute in Martigny selbst ein Tonerdewerk. Ferner baute er Aluminium-Walz- und Presswerke sowie weiterverarbeitende Betriebe in der Schweiz und in Deutschland auf. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Giulini in absentia von französischen Gerichten zum Tode verurteilt, da er im Krieg nur Deutschland, nicht aber Frankreich beliefert hatte. Von 1912 bis 1935 wohnte Giulini hauptsächlich in Lazzago bei Como. Dort war er von 1914 bis 1917 Bürgermeister. 1918 wurde das Walzwerk in Münchenstein von der Giulini Werke AG eröffnet. Das Konzernunternehmen Aluminium-Fabrik Martigny AG war Forschungsstätte für die Entwicklung von Aluminiumlegierungen und Produktionsstätte. In Martigny wurde die erste Strangpresse für Leichtmetall in der Schweiz installiert sowie eine Drahtzieherei. Im Jahr 1934 wurde die Firma in Aluminium Press- und Walzwerk Münchenstein AG umbenannt. Das Unternehmen war an der Entstehung und Entwicklung der schweizerischen Leichtmetalltechnik massgeblich beteiligt. Pionierarbeit wurde vor allem in Bezug auf die Entwicklung einer Legierung geleistet, die widerstandsfähiger war und eine hohe elektrische Leitfähigkeit besass. Beide Fabriken, Münchenstein und Martigny, blieben Teil des Familienunternehmens. Nach Giulinis Rücktritt 1953 wurde seine Tochter und einzige überlebende Erbin Elena Herr-Giulini Delegierte des Verwaltungsrats der Aluminiumfabrik Martigny AG. Bis zum Konkurs der Fabrik in Münchenstein 1999 waren immer Familienmitglieder im Verwaltungsrat vertreten.
Autorin: Manuela Nipp
Bachelin, Helmuth: Giulini. In: Neue Deutsche Biographie. Bd. 6, Berlin 1964, S. 418. URL: www.deutsche-biographie.de/pnd139786686.html, Zugriff 12.08.2014.
Bachelin, Helmuth: Giulini, Georg Otto. In: Neue Deutsche Biographie. Bd. 6, Berlin 1964, S. 418–419. URL: www.deutsche-biographie.de/sfz21072.html, Zugriff 17.06.2014.
Belli, Josef Peter: Georg Giulini – früher Visionär einer deutschen Aluminiumindustrie. In: Das Lautawerk der Vereinigten Aluminium-Werke AG (VAW) von 1917 bis 1948. Ein Rüstungsbetrieb in regionalen, nationalen, internationalen und politischen Kontexten (zugleich ein Beitrag zur Industriegeschichte Niederlausitz). Berlin 2012, S. 35–37.
Krosigk, Lutz Graf Schwerin von: Die Grosse Zeit des Feuers. Der Weg der Deutschen Industrie. Bd. 3, Tübingen 1959, S. 212–213.
Ruch, Dominic: Der schwierige Weg zum leichten Metall. 100 Jahre Aluminium Martigny SA, Zürich 2009.
Schweizerisches Wirtschaftsarchiv, Basel, Aluminium Münchenstein AG, H + I Bg 479.